Heimat A.T. (10+)

Ein Solo für heimatverbundene Menschen

Azmi ist angekommen. Das hatte er zumindest gehofft, nach einer langen einsamen Flucht, die ihn nicht nur über Landesgrenzen, sondern immer wieder auch weit über seine eigenen Grenzen hinaus getrieben hat. Jetzt ist er in Sicherheit. Das hatte er über dieses Land gehört und das steht auf einem Stück Papier. Sicherheit, das ist das, was er verloren hat. Neben seinem Vater, seiner Mutter, seinen beiden Brüdern, seinem Haus, seinem Hund, seinem Lieblings-T-Shirt, vor allem aber: Seiner Zukunft. Seiner Vergangenheit. Und irgendwie auch seinem Jetzt. Hier aber, in diesem Land: Da ist die Sicherheit zuhause. Doch in Azmis Klasse ist Enno. Und Enno beschützt sein Land vor solchen wie Azmi, die gekommen sind, um zu nehmen, was ihnen nicht gehört, ihnen nicht zusteht. Überfremdung. Dieses Wort hat Azmi von Enno gelernt. Ebenso wie Volksfeind. Schmarotzer. Ausländerschwein. Enno beschützt seine Heimat vor dem Fremden. Azmi würde sich dagegen wehren, wäre er nicht so müde. Er musste seine Heimat wegen dem Vertrauten verlassen. Aber Enno kann er das nicht erklären. Und als Azmi spätabends die Turnhalle verlässt, stellt er fest: Das war keine gute Idee.

Fast 300.000 Menschen fliehen im Durchschnitt jeden Tag auf der Welt. Im Schnitt wird jede Sekunde jemand auf der Welt zur Flucht gezwungen. Ende 2022 waren 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht. 40 Prozent der Flüchtenden sind Kinder. Die Welt brennt. In Deutschland spüren wir nur die entfernten Ausläufer dieses Flächenbrandes. Und dennoch greift eine nur absurd zu nennende Angst um sich.

Was passiert mit Kindern, die in dieser Zeit aufwachsen? Was machen die Schlagzeilen mit ihnen, die Satzfetzen, die sie beim Bäcker erlauschen. Wie beschützt man seine Heimat, wenn man immer wieder hört, dass sie bedroht ist? Und was passiert mit den anderen Kindern, die in dieser Zeit aufwachsen? Deren Eltern verschleppt werden, die in Schutt und Trümmern aufwachsen. Wann verlässt man seine Heimat, weil man selbst bedroht ist?

Und was ist Heimat dann eigentlich noch? Ist der Heimatbegriff nur noch ein Arbeitstitel?

Regie: RAGNA KIRCK

Spiel: FRANZISKA SCHMID

Foto (c) Casamax Theater